Kindergeld rückwirkend beantragen
Kindergeld rückwirkend beantragen: Ein umfassender Leitfaden für Familien
Das Kindergeld stellt für viele Familien in Deutschland eine bedeutende finanzielle Unterstützung dar. Doch was passiert, wenn die Zahlungen ausbleiben oder nicht rechtzeitig beantragt wurden? In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie in solchen Fällen vorgehen sollten, welche gesetzlichen Regelungen zu beachten sind und wie Sie finanzielle Nachteile vermeiden können.
Wichtige Aspekte des Kindergeldes
Rückwirkende Beantragung:
Kindergeld kann bis zu sechs Monate rückwirkend beantragt werden. Das bedeutet, dass Familien, die den Anspruch auf Kindergeld haben, diesen innerhalb von sechs Monaten ab Entstehung der Berechtigung geltend machen können. Diese Regelung ist in § 70 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) verankert. Es ist wichtig zu wissen, dass Anträge auf Kindergeld möglichst zeitnah gestellt werden sollten, um finanzielle Verluste zu vermeiden.
Berechtigungszeitraum und Auszahlung:
Während der gesamte Berechtigungszeitraum festgesetzt wird, ist die Auszahlung der rückwirkenden Leistung auf die letzten sechs Monate begrenzt. Dies stellt sicher, dass Ansprüche zeitnah geltend gemacht werden. Diese Begrenzung ist in § 66 Abs. 3 EStG festgelegt und schützt den Staat vor einer unbegrenzten Rückwirkung von Ansprüchen.
Verjährung:
Ansprüche auf Kindergeld verjähren nach vier Jahren (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung – AO). Das bedeutet, dass Eltern rückwirkend für das laufende Jahr und vier abgelaufene Kalenderjahre Kindergeld beantragen können. Um die Ansprüche geltend zu machen, müssen alle Mitwirkungspflichten nach §§ 90-95 AO und § 68 EStG erfüllt werden.
Einreichung von Nachweisen:
Eltern sollten alle erforderlichen Nachweise und Bescheinigungen rechtzeitig bei der Familienkasse einreichen. Dies ist vor allem bei Kindern über 18 Jahren oder bei Kindern mit Behinderung wichtig. Zum Beispiel müssen Ausbildungs- oder Studienbescheinigungen sowie Schwerbehindertenausweise oder Feststellungsbescheide des Versorgungsamtes eingereicht werden. Diese Nachweise sind entscheidend, um den Anspruch auf Kindergeld zu belegen.
Reaktion auf Schreiben der Familienkasse:
Es ist essenziell, auf Schreiben der Familienkasse zu reagieren. Versäumnisse hierbei können dazu führen, dass die Familienkasse Leistungen aufgrund fehlender Mitwirkung versagt. Daher sollten Eltern sicherstellen, dass sie alle angeforderten Dokumente und Informationen fristgerecht einreichen.
Fallbeispiele
Fallbeispiel 1: Familie Müller erhält seit sieben Monaten kein Kindergeld
Die Familie Müller hat zwei Kinder und stellt fest, dass sie seit sieben Monaten kein Kindergeld mehr erhalten haben. Herr Müller hatte vor einigen Jahren rechtzeitig einen Antrag auf Kindergeld gestellt, jedoch versäumte er es, die geforderten Nachweise über den Ausbildungsbeginn seiner Tochter einzureichen. Als Folge hob die Familienkasse das bereits festgesetzte Kindergeld wieder auf. Erst knapp drei Jahre später reichte Herr Müller erneut einen Antrag ein und wollte die Festsetzung von Kindergeld ab dem ursprünglich beantragten Zeitpunkt erreichen. Die Familienkasse beschränkte die Nachzahlung jedoch auf die letzten sechs Monate vor Eingang des Antrags, da dies gesetzlich geregelt ist.
Die Familie Müller entschied sich, vor Gericht zu gehen. Das Finanzgericht Niedersachsen entschied zugunsten der Familie, da die Familienkasse ursprünglich einen Fehler gemacht hatte. Allerdings wurde in der Urteilsbegründung klargestellt, dass der Kindergeldbescheid nicht den gesetzlichen Regelungen entsprach, jedoch aufgrund der Bestandskraft des Bescheides für die Behörde bindend war.
Fallbeispiel 2: Familie Schmidt verpasst die Frist und verliert Ansprüche
Familie Schmidt hat drei Kinder und bemerkt, dass sie seit acht Monaten kein Kindergeld mehr erhalten haben. Herr Schmidt war sich sicher, dass er alle notwendigen Unterlagen eingereicht hatte, konnte jedoch keine Bestätigung der Familienkasse finden. Als er schließlich Kontakt mit der Familienkasse aufnahm, wurde ihm mitgeteilt, dass die Frist für die rückwirkende Beantragung von sechs Monaten abgelaufen sei und eine Nachzahlung daher nicht mehr möglich sei. Die Familie Schmidt musste den Verlust der letzten beiden Monate an Kindergeld hinnehmen.
Fallbeispiel 3: Familie Becker klagt erfolgreich gegen die Familienkasse
Familie Becker, mit zwei schulpflichtigen Kindern, hatte seit einem Jahr kein Kindergeld mehr erhalten. Frau Becker hatte rechtzeitig alle Unterlagen eingereicht und mehrfach bei der Familienkasse nachgefragt. Trotzdem erfolgten keine Zahlungen. Schließlich entschied sich die Familie, rechtlichen Beistand zu suchen und die Familienkasse zu verklagen. Das zuständige Finanzgericht entschied zugunsten der Familie und ordnete an, dass die Familienkasse das Kindergeld für den gesamten Zeitraum nachzahlen müsse, da Frau Becker ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen war und der Fehler bei der Familienkasse lag.
Empfehlungen und Hinweise für Eltern
Zeitige Beantragung:
Eltern sollten nach der Geburt eines Kindes oder bei Änderungen, die den Anspruch betreffen, wie z.B. dem Ausbildungsbeginn, die relevanten Nachweise unverzüglich bei der Familienkasse einreichen. Eine zeitige Beantragung und die fristgerechte Einreichung der Nachweise sind essenziell, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.
Regelmäßige Kontrolle:
Eltern sollten regelmäßig überprüfen, ob das Kindergeld auf ihrem Konto eingeht und bei Ausbleiben schnellstmöglich Kontakt mit der Familienkasse aufnehmen. Sollte es zu Verzögerungen oder Problemen kommen, ist eine schnelle Reaktion wichtig, um den Anspruch auf Kindergeld nicht zu gefährden.
Beratung und Unterstützung:
In komplizierten Fällen kann die Beratung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater hilfreich sein. Diese Fachleute können bei rechtlichen Fragen, Fristen und der Einreichung von Nachweisen unterstützen und sicherstellen, dass alle Ansprüche korrekt geltend gemacht werden.
Indem Familien die gesetzlichen Bestimmungen und Fristen beachten und proaktiv handeln, können sie sicherstellen, dass sie die finanzielle Unterstützung erhalten, die ihnen zusteht.