Die Kindergrundsicherung…
Die Kindergrundsicherung, wie sie im neuen Bundeskindergrundsicherungsgesetz (BKG) festgeschrieben ist, setzt ein wichtiges Zeichen im Kampf gegen Kinderarmut und für soziale Gerechtigkeit. Sie soll Kinder und Jugendliche finanziell absichern, indem sie bestehende Leistungen wie Kindergeld, Kinderzuschlag und Teile des Bildungs- und Teilhabepakets zusammenführt. Das Ziel ist es, die finanzielle Unterstützung für Familien zu vereinfachen und gerechter zu gestalten. Dennoch stellt sich die Frage, ob dieses neue System langfristig den gewünschten Effekt hat und ob es tatsächlich für mehr Chancengleichheit sorgt – oder ob es nicht vielleicht an entscheidender Stelle eine Lücke hinterlässt.
Soziale Gerechtigkeit oder Fehlanreize?
Der Grundgedanke, sozial schwächere Familien zu fördern, ist richtig und wichtig. Dennoch wird die neue Regelung schnell komplex, vor allem durch die Staffelung des kinderabhängigen Zusatzbetrags nach Einkommen und Alter. Ein Grundproblem dabei ist, dass das System die Eigenverantwortung und den Anreiz zur eigenen Erwerbstätigkeit nur bedingt unterstützt. So können Familien, die relativ wenig verdienen, am Ende des Monats ähnliche oder sogar höhere Summen zur Verfügung haben als solche, bei denen die Eltern einen anspruchsvollen Job haben und deutlich mehr arbeiten.
Gerade in Berufen, die gesellschaftlich wichtig sind, aber oft nicht überdurchschnittlich vergütet werden – wie in der Pflege, im Einzelhandel oder in sozialen Berufen –, arbeiten viele Menschen hart für ihr Einkommen und erleben dennoch, dass sie mit ihrem Verdienst kaum besser dastehen als Familien, die durch die Kindergrundsicherung und andere Zuschüsse unterstützt werden. Ein Beispiel wäre eine Familie, bei der ein Elternteil etwa 15 Euro pro Stunde verdient und durch die Kindergrundsicherung letztlich ähnlich viel auf dem Konto hat wie eine andere Familie, in der die Eltern deutlich mehr verdienen, aber ohne Unterstützung auskommen. Solche Konstellationen können als ungerecht empfunden werden, da sie kaum noch erkennbar zwischen Eigenleistung und staatlicher Unterstützung unterscheiden.
Steuersenkungen für Familien als Alternative
Eine gezielte Steuersenkung für Familien mit Kindern könnte eine gerechtere und langfristig wirkungsvollere Alternative sein. Anstatt ständig neue Zuschüsse, Steuerfreibeträge und Sonderzahlungen zu schaffen, könnte eine durchdachte und direkte Entlastung im Steuersystem den Familien echten finanziellen Spielraum verschaffen. Eine Steuerentlastung wäre eine transparente und verständliche Lösung, die den Eltern mehr Freiheit lässt und dazu beiträgt, dass jene, die sich durch Arbeit absichern möchten, nicht das Gefühl haben, dass sie letztlich für ihre Leistung nicht fair entlohnt werden.
Solche steuerlichen Anreize wären zudem mit einem geringeren bürokratischen Aufwand verbunden. Derzeit fließen viele Mittel in Verwaltung und Überprüfung der Sozialleistungen. Wenn Familien unabhängig von ihrem Einkommen, allein durch den Familienstatus, steuerlich entlastet würden, käme dies allen Eltern zugute – und zwar direkt. Es würde auch die soziale Gerechtigkeit fördern, indem es Eltern mit eigenem Einkommen unterstützt, ohne den Arbeitsanreiz zu schmälern. So könnte man sicherstellen, dass diejenigen, die zur Gesellschaft beitragen, in erster Linie von ihrer eigenen Leistung profitieren, statt sich auf Zuschüsse verlassen zu müssen.
Chancengleichheit mit Anreizen zur Eigenverantwortung
Ein fair ausgestaltetes Steuersystem könnte außerdem einen Beitrag zur echten Chancengleichheit leisten, indem es nicht nur finanzielle Unterstützung bietet, sondern die Eigenverantwortung der Eltern und ihre Bereitschaft zur Eigenleistung stärkt. Denn wenn Familien steuerlich entlastet werden, hätten sie den Anreiz, durch eigene Leistung mehr zu erwirtschaften und müssten sich weniger stark auf staatliche Hilfen stützen.
So wäre es denkbar, dass Familien bei einem zweiten Einkommen oder bei Steigerung des Einkommens weniger stark durch höhere Steuern belastet werden und dadurch mehr auf dem Konto bleibt. Eine Kombination aus gezielter Steuerentlastung und einer grundlegenden Vereinfachung der bestehenden Hilfssysteme könnte in vielerlei Hinsicht gerechter sein und langfristig stabilisierend wirken.
Fazit: Kindergrundsicherung oder Steuerreform?
Die Kindergrundsicherung ist zweifelsohne ein Schritt in Richtung sozialer Sicherheit für alle Kinder in Deutschland. Doch könnte sie langfristig zu einer „Abhängigkeit von Zuschüssen“ führen, statt Eigenverantwortung zu fördern und Anreize zur Leistungsbereitschaft zu stärken. Eine tiefgreifende Steuerreform für Familien könnte hingegen dafür sorgen, dass die gesellschaftliche Teilhabe stärker honoriert wird und den Familien echte Entlastung bringt – ohne sie in immer komplexeren Förderstrukturen zu verfangen. Solch eine Reform wäre ein zukunftsfähiger Weg, der soziale Gerechtigkeit und Eigenverantwortung in einem fairen Gleichgewicht hält.
Am Beispiel einer Patchworkfamilie…
Als Patchworkfamilie mit zwei eigenen und zwei Kindern aus der vorherigen Beziehung meines Partners ist unsere finanzielle und organisatorische Situation oft komplexer als die einer klassischen Familie. Die neuen Regelungen zur Kindergrundsicherung bringen uns dabei einige dringend notwendige Verbesserungen. Bisher musste mein Partner für seine beiden Kinder aus erster Ehe Kindergeld und andere Unterstützungsleistungen separat beantragen, während ich für unsere gemeinsamen Kinder zuständig war. Das bedeutete nicht nur mehr Bürokratie, sondern auch zusätzliche Verwaltungsschritte, die uns viel Zeit gekostet haben – Zeit, die wir lieber mit den Kindern verbringen würden.
Die Möglichkeit, dass jetzt jeder in der Familie die Kindergrundsicherung beantragen kann, ohne dass wir uns in „meine“ und „deine“ Kinder aufteilen müssen, erleichtert unseren Alltag enorm. Endlich wird anerkannt, dass eine Patchworkfamilie eine Lebensgemeinschaft ist und nicht nur eine Summe an Einzelverantwortlichkeiten. Das neue System spiegelt damit endlich wider, wie wir als Familie wirklich leben: als Einheit, in der alle Kinder gleich sind.
Auch finanziell ist die Kindergrundsicherung eine wichtige Hilfe für uns, da die einkommensunabhängige Grundsicherung für jedes Kind und der altersgestaffelte Kinderzusatzbetrag die Unterstützung nun etwas fairer verteilen. Besonders die Staffelung je nach Alter ist hilfreich, da ältere Kinder in der Regel teurere Bedürfnisse haben.
Trotz dieser Vorteile fühlt es sich manchmal ungerecht an, wenn ich mir vor Augen halte, wie viel wir beide arbeiten, um unsere vier Kinder abzusichern. Mein Partner und ich arbeiten beide nahezu Vollzeit und oft bleibt kaum mehr auf dem Konto als bei Familien, die weniger arbeiten oder ein niedrigeres Einkommen haben. Manchmal hat man fast den Eindruck, dass das System in der jetzigen Form gar nicht so sehr den Einsatz belohnt, den wir in unsere Familie stecken, sondern eher dazu führt, dass sich Mehrarbeit finanziell nicht mehr wirklich lohnt, weil man durch Anrechnungen und Streichungen im Endeffekt nicht mehr Unterstützung bekommt.
Eine Ergänzung durch Steuererleichterungen für Familien und Alleinerziehende wäre für viele Patchworkfamilien wie unsere sinnvoll. Gerade, wenn man Verantwortung für mehrere Kinder übernimmt, von denen nicht alle leiblich sind, und trotzdem das Beste für jedes einzelne Kind möchte, sollte der Staat diesen Einsatz durch eine gerechtere Besteuerung anerkennen. Diese zusätzliche Entlastung würde nicht nur uns, sondern vielen anderen Patchworkfamilien helfen, die Kindergrundsicherung und ihren Einsatz für die Familie besser zu kombinieren, ohne dass dabei die finanzielle Sicherheit leidet.