Die steuerliche Behandlung von rückwirkend bewilligten Erwerbsminderungsrenten
Die steuerliche Behandlung von rückwirkend bewilligten Erwerbsminderungsrenten wurde durch ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) am 15. Mai 2018 (Aktenzeichen X R 18/16) maßgeblich klargestellt. Bis dahin gab es Unklarheiten darüber, welches Jahr für die steuerliche Einstufung von Erwerbsminderungsrenten maßgeblich ist, wenn diese rückwirkend gewährt wurden. Das Urteil hatte weitreichende Auswirkungen auf die Besteuerung von Renten und damit auf die Steuerpflicht von Rentenempfängern, die in einem bestimmten Zeitraum Sozialleistungen erhalten haben, bevor ihre Erwerbsminderungsrente endgültig bewilligt wurde.
Steuerliche Behandlung von Erwerbsminderungsrenten:
Grundsätzlich unterliegen Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung denselben steuerlichen Regeln wie Altersrenten. Das bedeutet, dass auch Erwerbsminderungsrenten nur zu einem bestimmten Anteil steuerpflichtig sind. Ein Teil der Rente bleibt steuerfrei, wobei der steuerfreie Anteil abhängig vom Jahr des Rentenbeginns festgelegt wird. So fällt der steuerfreie Anteil beispielsweise 2025 anders aus als 2020, da sich die Besteuerung im Zuge der Rentenreform jährlich leicht ändert.
Die steuerliche Behandlung eines Rentenbezuges richtet sich traditionell nach dem Jahr, in dem der Rentenanspruch erstmals gewährt wird, also nach dem Jahr des Rentenbeginns. Wenn eine Erwerbsminderungsrente jedoch rückwirkend bewilligt wird, stellt sich die Frage, ob das Jahr der erstmaligen Zahlung der Rentenbeträge oder das Jahr der Rentenbewilligung für die Steuerberechnung entscheidend ist.
Rückwirkende Bewilligung und Steuerberechnung:
Im Fall einer rückwirkend bewilligten Erwerbsminderungsrente wird die Steuerberechnung durch das Jahr der Rentenbewilligung beeinflusst. Der BFH hat entschieden, dass das Jahr der Bewilligung als maßgeblich für die steuerliche Einstufung der Rente gilt, nicht das Jahr der erstmaligen Zahlung. Das bedeutet, dass das Jahr der Rentenbewilligung als das Jahr des „Renteneintritts“ für steuerliche Zwecke betrachtet wird. Dies hat eine wichtige Auswirkung auf den steuerfreien Anteil der Rente, der um einen bestimmten Prozentsatz erhöht wird, je nachdem, wie viele Jahre rückwirkend die Rente bewilligt wird.
Beispiel: Stellen wir uns vor, eine Person erhält im Januar 2023 die Nachricht, dass ihre Erwerbsminderungsrente rückwirkend ab Januar 2021 bewilligt wurde. In diesem Fall würde die Person, obwohl sie die Rente erst 2023 ausgezahlt bekommt, steuerlich so behandelt werden, als ob der Rentenbeginn im Jahr 2021 stattgefunden hat. Dies hat zur Folge, dass der Freibetrag, der auf den steuerfreien Anteil der Rente entfällt, um 2 Prozent höher ausfällt, als es der Fall gewesen wäre, wenn die Rente 2023 erstmals bewilligt worden wäre.
Würde die Rente sogar rückwirkend für zwei Jahre (also ab Januar 2020) bewilligt, würde sich der Freibetrag um insgesamt 4 Prozent erhöhen, was zu einer noch höheren Steuerbefreiung führen würde. Diese Regelung ist insbesondere für Rentner von Bedeutung, die auf längere Zeiträume rückwirkend Rente erhalten, weil sie von einer erheblichen Steuerersparnis profitieren können.
Verrechnung von Sozialleistungen:
Bei rückwirkend bewilligter Erwerbsminderungsrente wird häufig auch ein Teil der Sozialleistungen, die der Betroffene vor der Bewilligung der Rente erhalten hat (z. B. Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Sozialhilfe), mit den Rentennachzahlungen verrechnet. Das hat zur Folge, dass die Sozialleistungen für das Jahr, in dem sie ursprünglich bezogen wurden, nachträglich als Rentenbezug behandelt und daher steuerpflichtig werden. Dies führt zu einer Nachversteuerung der erhaltenen Sozialleistungen, die sich auf den Steuerbescheid auswirkt.
Beispiel: Angenommen, jemand hat im Jahr 2021 Arbeitslosengeld in Höhe von 10.000 Euro bezogen, und im Jahr 2023 wird die Erwerbsminderungsrente rückwirkend ab Januar 2021 bewilligt. In diesem Fall wird die Rente für das Jahr 2021 nachträglich besteuert, aber gleichzeitig wird das erhaltene Arbeitslosengeld von 10.000 Euro nicht mehr als Sozialleistung berücksichtigt, sondern als Teil des Rentenbezugs. Dies bedeutet, dass die Arbeitslosengeldzahlungen nicht mehr in der Einkommenssteuererklärung für 2021 auftauchen und die Rentennachzahlung als steuerpflichtiger Betrag berücksichtigt wird.
Für den Steuerpflichtigen bedeutet dies, dass er möglicherweise eine Nachzahlung leisten muss, da die Arbeitslosengeldzahlung, die zunächst nicht versteuert wurde, nun in die Rentenbesteuerung einfließt. Es ist zu beachten, dass die Sozialleistungen, die mit der Rentennachzahlung verrechnet wurden, nicht mehr separat als Einnahme gelten dürfen. Das heißt, sie dürfen nicht erneut als Sozialleistung in einem geänderten Steuerbescheid auftauchen. Dies kann jedoch zu einer komplexen Berechnung führen, da unter Umständen bereits Steuerbescheide vorliegen, die geändert werden müssen.
Steuerbescheide und Änderungen:
Das Urteil des BFH verdeutlicht auch, dass Steuerbescheide für die Jahre vor der rückwirkenden Rentenbewilligung geändert werden müssen. Wenn also für ein Vorjahr bereits ein Steuerbescheid vorliegt und sich durch die Rentenbewilligung Änderungen in der Besteuerung ergeben, müssen diese Bescheide entsprechend angepasst werden. Das bedeutet, dass Steuerpflichtige für die betroffenen Jahre einen Änderungsbescheid erhalten, der die Nachversteuerung der Sozialleistungen und die korrekte Berücksichtigung der Rentenbezüge berücksichtigt.
Beispiel: Ein Rentenempfänger erhält im Jahr 2023 seine Rentennachzahlung für das Jahr 2021, weil die Rente rückwirkend ab 2021 bewilligt wurde. Wenn für 2021 bereits ein Steuerbescheid vorliegt, muss dieser nun geändert werden, um die Rentenbezugsanteile und die damit verbundenen steuerfreien Anteile korrekt zu berechnen. Das führt dazu, dass möglicherweise eine Nachzahlung zu leisten ist, da das Arbeitslosengeld, das ursprünglich nicht versteuert wurde, nun mit der Rente verrechnet wird.
Kein Wahlrecht:
Ein wichtiger Punkt, den das Urteil des BFH hervorhebt, ist, dass Rentenempfänger kein Wahlrecht haben, die ursprüngliche Besteuerung beizubehalten, wenn sie mit einer nachträglichen Besteuerung nicht einverstanden sind. Ein Steuerpflichtiger kann nicht entscheiden, dass die ursprünglich erfolgte Besteuerung beibehalten wird, wenn die Rentennachzahlung rückwirkend gewährt wurde und dadurch eine Änderung der Steuerlast erforderlich ist.
Beispiel: Wenn eine Person der Ansicht ist, dass die nachträgliche Versteuerung ihrer Rente ungünstig für sie ist, kann sie nicht einfach darauf bestehen, dass die Steuererklärung so bleibt, wie sie ursprünglich eingereicht wurde. Die steuerlichen Anpassungen müssen durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Rentennachzahlungen korrekt besteuert werden. Dies kann für den Betroffenen entweder vorteilhaft oder nachteilig sein, abhängig von den individuellen Umständen.
Insgesamt führt das Urteil des BFH zu einer klareren Regelung der Besteuerung von rückwirkend bewilligten Erwerbsminderungsrenten und deren Auswirkungen auf die Steuerpflichtigen. Es verdeutlicht, dass das Jahr der Rentenbewilligung und nicht das Jahr der erstmaligen Zahlung der Rentenbeträge für die steuerliche Behandlung maßgeblich ist und dass Steuerbescheide für die Vorjahre gegebenenfalls geändert werden müssen. Rentenempfänger sollten daher ihre Steuerbescheide genau prüfen und sicherstellen, dass die Verrechnung korrekt erfolgt.