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Erziehungsrente

Erziehungsrente: Finanzielle Unterstützung für Alleinerziehende nach dem Tod des Ex-Partners

Die Erziehungsrente ist eine besondere Rentenleistung der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung, die geschiedenen Alleinerziehenden eine wichtige finanzielle Absicherung bietet. Sie greift in Fällen, in denen der frühere Ehepartner verstirbt und damit sowohl die monatlichen Unterhaltszahlungen als auch die Mitverantwortung für die Betreuung der Kinder wegfallen. Diese Rente wird aus der Rentenversicherung des überlebenden Elternteils gezahlt und zählt zu den Renten wegen Todes, unterscheidet sich jedoch grundlegend von klassischen Hinterbliebenenrenten wie der Witwen- oder Waisenrente.


Voraussetzungen für die Erziehungsrente

Um einen Anspruch auf die Erziehungsrente geltend machen zu können, müssen bestimmte gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sein, die in § 47 SGB VI geregelt sind:

  1. Mindestbeitragszeit
    Der überlebende Elternteil muss mindestens fünf Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, um die allgemeine Wartezeit zu erfüllen. Diese Beitragszeit ist die Grundvoraussetzung für nahezu alle Leistungen der Rentenversicherung.
  2. Auflösung der Ehe
    Die Ehe zwischen den Elternteilen muss nach dem 30. Juni 1977 geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben worden sein. Bei Scheidungen vor diesem Datum besteht ein Anspruch nur, wenn für den Unterhaltsanspruch DDR-Recht galt.
  3. Erziehung eines Kindes
    Der überlebende Elternteil muss ein Kind erziehen, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Dabei kann es sich um ein eigenes Kind, ein Kind des verstorbenen Ex-Partners, ein Stiefkind, Pflegekind, Enkelkind oder ein Geschwisterkind handeln. Für behinderte Kinder, die dauerhaft auf Betreuung angewiesen sind, besteht der Anspruch unabhängig vom Alter.
  4. Alter des Berechtigten
    Der oder die Antragstellende darf die Regelaltersgrenze (aktuell 67 Jahre) noch nicht erreicht haben.
  5. Wiederheirat
    Eine erneute Heirat führt zum Erlöschen des Anspruchs auf Erziehungsrente. Die Leistung ist somit an den Familienstand gekoppelt und wird nur an unverheiratete Personen gezahlt.
  6. Lebenspartnerschaften
    Eingetragene Lebenspartnerschaften werden in Bezug auf die Erziehungsrente einer Ehe gleichgestellt. Seit der Einführung der Ehe für alle im Jahr 2017 gilt dies auch für gleichgeschlechtliche Ehen.

Besonderheiten der Erziehungsrente

Die Erziehungsrente unterscheidet sich von anderen Rentenarten durch ihre spezifische Ausgestaltung:

  • Finanzierung aus eigener Versicherung
    Anders als Witwen- oder Waisenrenten wird die Erziehungsrente nicht aus der Rentenversicherung des verstorbenen Ex-Partners, sondern aus den Beiträgen des überlebenden Elternteils finanziert.
  • Dauer der Zahlung
    Die Rente wird gezahlt, solange der oder die Berechtigte ein Kind erzieht, das jünger als 18 Jahre ist. Bei einem behinderten Kind besteht die Zahlung ohne Altersbeschränkung.
  • Einkommensanrechnung
    Eigenes Einkommen des berechtigten Elternteils wird auf die Erziehungsrente angerechnet. Dabei gilt ein Freibetrag, der sich nach der Anzahl der Kinder und dem Wohnort richtet. Einkommen, das über diesen Freibetrag hinausgeht, wird zu 40 % auf die Rente angerechnet.
  • Antragstellung erforderlich
    Die Erziehungsrente wird nicht automatisch gezahlt, sondern muss beim zuständigen Rentenversicherungsträger beantragt werden. Erst ab dem Monat der Antragstellung wird die Rente gewährt; eine rückwirkende Zahlung erfolgt in der Regel nicht.

Ein Beispiel aus der Praxis

Frau Schulze ist 35 Jahre alt, lebt in Hamburg und hat zwei Kinder, Lukas (8 Jahre) und Anna (4 Jahre). Sie ist seit vier Jahren geschieden und arbeitet in Teilzeit als Sachbearbeiterin in einem mittelständischen Unternehmen. Ihr monatliches Einkommen liegt bei 2.000 Euro brutto (etwa 1.500 Euro netto). Ihr Ex-Mann, Herr Schulze, zahlte regelmäßig Unterhalt für die Kinder in Höhe von 900 Euro pro Monat.

Plötzlich verstirbt Herr Schulze durch einen Verkehrsunfall. Der Wegfall der Unterhaltszahlungen stürzt Frau Schulze in eine finanzielle Notlage. Gleichzeitig muss sie den Verlust des Vaters für ihre Kinder auffangen und ihre Betreuung komplett allein organisieren.

Anspruch auf Erziehungsrente

Frau Schulze erfüllt die Voraussetzungen für die Erziehungsrente:

  • Sie hat seit Beginn ihrer Berufstätigkeit insgesamt 12 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt und damit die Mindestbeitragszeit von fünf Jahren erfüllt.
  • Die Ehe mit Herrn Schulze wurde nach dem 30. Juni 1977 geschieden.
  • Sie erzieht zwei minderjährige Kinder allein.
  • Mit 35 Jahren liegt sie deutlich unter der Regelaltersgrenze von 67 Jahren.
  • Sie ist unverheiratet.

Frau Schulze stellt einen Antrag auf Erziehungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung. Nach der Bearbeitung wird ihr die Rente gewährt.

Berechnung der Erziehungsrente

Der Freibetrag für die Einkommensanrechnung liegt 2025 bei etwa 1.170 Euro netto pro Monat (abhängig von Region und Kinderzahl). Frau Schulzes Einkommen von 1.500 Euro netto überschreitet diesen Freibetrag um 330 Euro. Davon werden 40 % auf die Rente angerechnet:

  • Übersteigender Betrag: 1.500 € – 1.170 € = 330 €
  • Anrechnungsbetrag: 330 € x 40 % = 132 €

Angenommen, Frau Schulze hätte ohne Anrechnung Anspruch auf eine Erziehungsrente von 1.300 Euro. Nach Abzug des Anrechnungsbetrags erhält sie monatlich 1.168 Euro Erziehungsrente. Zusammen mit ihrem Einkommen von 1.500 Euro stehen ihr monatlich 2.668 Euro zur Verfügung.

Auswirkungen der Erziehungsrente

Die Erziehungsrente hilft Frau Schulze, die finanziellen Lücken zu schließen, die durch den Tod ihres Ex-Mannes entstanden sind. Sie kann weiterhin für ihre Kinder sorgen, die Miete zahlen und die laufenden Lebenshaltungskosten decken. Zusätzlich bleibt ihr die Möglichkeit, ihre Teilzeitbeschäftigung aufrechtzuerhalten, ohne gezwungen zu sein, sofort einer Vollzeitstelle nachzugehen.


Beantragung und erforderliche Unterlagen

Um die Erziehungsrente zu erhalten, hat Frau Schulze folgende Unterlagen eingereicht:

  • Personalausweis
  • Geburtsurkunden ihrer Kinder
  • Sterbeurkunde ihres Ex-Mannes
  • Nachweis über die frühere Ehe (Scheidungsurteil)
  • Einkommensnachweise (Gehaltsabrechnungen und Steuerbescheid)

Die Deutsche Rentenversicherung bearbeitete den Antrag innerhalb von etwa sechs Wochen. Frau Schulze erhielt die Erziehungsrente rückwirkend ab dem Monat der Antragstellung.


Gesetzliche Grundlagen

Die rechtliche Basis für die Erziehungsrente ist im Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) verankert:

  • § 47 SGB VI beschreibt die Voraussetzungen und Anspruchsbedingungen.
  • § 97 SGB VI regelt die Einkommensanrechnung bei Renten wegen Todes.
  • § 33 SGB VI stuft die Erziehungsrente als Rentenart wegen Todes ein, grenzt sie jedoch von Hinterbliebenenrenten ab.

Durch diese gesetzlichen Regelungen wird sichergestellt, dass die Erziehungsrente nur an Personen gezahlt wird, die tatsächlich hilfsbedürftig sind und die Verantwortung für die Erziehung von Kindern tragen.

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