Nestbeschmutzer

Ursprünge und Entwicklung


Die Ursprünge und Entwicklung der Redewendung „Das eigene Nest beschmutzen“

Die Redensart „das eigene Nest beschmutzen“ ist tief in der deutschen Sprachkultur verwurzelt und reicht bis ins Spätmittelalter zurück. Diese Redewendung, die heute verwendet wird, um Menschen zu kritisieren, die ihrer eigenen Gemeinschaft oder Familie Schaden zufügen, hat eine faszinierende und komplexe Geschichte.

Der Wiedehopf und seine Rolle in der Zoologie des Mittelalters

Im Mittelalter war der Wiedehopf (Upupa epops) ein häufiger Vogel in Europa und aufgrund seiner markanten Erscheinung leicht zu erkennen. Der Vogel mit seinem auffälligen Federschopf wurde in der damaligen Zoologie fälschlicherweise beschuldigt, sein eigenes Nest zu beschmutzen. Diese falsche Annahme führte dazu, dass der Wiedehopf als Symbol für schlechtes Benehmen und Unsauberkeit galt.

Literarische Erwähnungen und Sprichwörter

Die Redensart fand ihren Weg in die Literatur und wurde von verschiedenen Dichtern und Schriftstellern genutzt, um moralische Botschaften zu vermitteln. Einer der frühesten Belege findet sich im Werk des Dichters Muskatblüt (um 1390–1438). In einem seiner Lieder schrieb er:

„Duostu selbe in din eigen nest / Du glichest wol dem wedehoppen, / Wa du dan sitzest oder stest, / Darin so muostu knoppen.“

(Übertragen: Machst du selber in dein eigenes Nest / dann gleichst du dem Wiedehopf / Wo du sitzt oder stehst / Musst du hineinkoten.)

Johann Fischart und das Ehzuchtbüchlein

Der Schriftsteller Johann Fischart (1546 oder 1547–1591) nahm die Redensart in sein „Ehzuchtbüchlein“ auf und formulierte:

„Dan was ist dieses für ein Viehische Widhopfenart, sein eygen Nest beschmeyssen?“

(Übertragen: Denn was ist das für ein viehisches Wiedehopf-Benehmen, sein eigenes Nest zu bescheißen?)

Diese Passage verdeutlicht die Abscheu, die mit dem Verhalten des Wiedehopfs assoziiert wurde, und dient als moralische Lehre.

Sebastian Franck und Sprichwörtersammlungen

In der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde die Redensart zunehmend in Sprichwörtersammlungen aufgenommen. Sebastian Franck (1499–1542 oder 1543) schrieb in seinem Buch „Sprichwörter, Schöne, Weise, Herrliche Clugreden, unnd Hoff sprüch …“ aus dem Jahr 1541:

„in sein eygen nest hofieren wie ein widhopff / Sein eygen schand nit moegen verschweigen.“

(Übertragen: Sein eigenes Nest hofieren wie ein Wiedehopf / Seine eigene Schande nicht verschweigen können.)

Francks Sammlung trug zur Verbreitung und Popularisierung der Redensart bei.

Johannes Agricola und die Außlegung gemeyner deutscher Sprichwörter

Johannes Agricola (1494–1566) erwähnte die Redensart in seinem Buch „Außlegung gemeyner deutscher Sprichwörter“ im Kapitel 665:

„Wer in sein eygen nest scheißt, der ligt vnsannft, und ist nit ehren werdt … Man sagt, daß vnder allen fögeln keyner in sein nest thuo denn der Widhopff, darumb er auch eyn verachter vogel ist, wiewol er eyn kron vnd kamp tregt, vnd hatt hübsche federn, denn er ist nit ehren werdt.“

(Übertragen: Wer in sein eigenes Nest scheißt, der liegt unbequem und ist nicht ehrenwert … Man sagt, dass von den Vögeln nur der Wiedehopf es in seinem eigenen Nest verrichtet, weshalb er ein verachteter Vogel ist, obwohl er eine Krone und einen Kamm trägt [damit dürfte das Kopfgefieder des Wiedehopfes gemeint sein] und ein schönes Federkleid hat, denn er ist nicht ehrenwert.)

Agricolas Interpretation hebt die moralische Abwertung des Verhaltens hervor und verfestigt die Redensart weiter.

Thomas Murner und die Schelmenzunft

Thomas Murner (1475–1537) illustriert die Redensart in seinem Buch „Schelmenzunft“ aus dem Jahr 1512 mit einem Holzschnitt. Unter der Überschrift „Der unnütz vogel“ heißt es:

„Der Vogel hatt eyn bose art / Der seym eigen nest nit spart / Sunder selber scheisset dreyn / Den gschmack doch selber nymmet eyn / … / Der Vogel kan nit sein der best, / Der scheisset in sein eigen nest.“

(Übertragen: Der Vogel hat eine schlechte Angewohnheit / Der sein eigenes Nest nicht verschont / sondern selber hineinscheißt / (und) den Geruch annimmt / … / Dieser Vogel kann nicht der beste sein / der in sein eigenes Nest scheißt.)

Murners Werk visualisiert die Redensart und vermittelt somit auf eindrucksvolle Weise die moralische Botschaft.


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